Oberkirch (kdj). Mit seinem letzten diesjährigen Veranstaltungsabend rückte der Förderverein der Mediathek das seit Jahren immer stärker ins allgemeine Bewusstsein rückende pantheistische Rückbesinnen auf die „Zeit zwischen den Jahren“ ins Zentrum.
Die schon im Herbst einsetzende Merkantilisierung der Advents- und Weihnachtszeit lässt immer mehr Menschen Sehnsucht nach einer anderen, einer naturverbundeneren, schlichteren Festzeit verspüren. Damit einher geht die Rückbesinnung auf pantheistische Rituale in der „Zeit zwischen den Jahren“, die lange vor dem Christentum begangen und wegen ihrer unausrottbaren Bedeutung als „heilige 12 Rauhnächte“ christianisiert wurden.
Wann die Rauhnächte sind, hängt von der inneren Einstellung desjenigen ab, der sie zelebrieren möchte. Nach einer alten Tradition beginnen sie in der Nacht der Wintersonnenwende, der sogenannten Thomasnacht, vom 21. auf den 22. Dezember. Mehrheitlich nimmt man ihren Anfang in der Heiligen Nacht vom 24. auf den 25. Dezember an. Die letzte Rauhnacht endet dann am 6. Januar mit dem Dreikönigstag.
Mit der in Unzhurst im eigenen Institut „Vital Proft“ praktizierenden Yoga- und Meditationslehrerin, Autorin und ausgebildeten Schamanin Sabine Proft konnte eine erfahrene Fachfrau zum Thema „Magie der Rauhnächte“ gewonnen werden. Sie sagt von sich, 1996 sei für sie zum Schlüsseljahr ihrer Spiritualität geworden. Seitdem seien Yoga, Meditation und Achtsamkeitspraxis für sie zum Anker ihres Lebens geworden, aus dessen reichem Erfahrungsschatz sie ihre spirituellen Schülerinnen und Schüler lehre.
Unter ihren Händen hatte sich die Bühne ium Saal der Mediathek in eine spirituelle Oase in den Prachtfarben Rot und Gold verwandelt. Eine Amethystdruse als Sitz eines Engels schimmerte vor Kerzenlicht auf einem altarähnlich geschmückten Tisch. Goldfarbige Glasstücke in Diamantenschliff funkelten im Decken-Spotlight. Halbedelsteine schimmerten auf den Tischen vor den Sitzplätzen des zahlreich erschienen Publikums.
Nicht zuletzt stimmten die verschiedenen Klangkörper neugierig, die von der Oberkircher Autorin und Musikerin Martina Meadows- Hertig neben dem Rednertisch angeordnet und während des Vortrags gespielt wurden. Von Klangschalen aus gehämmertem Metall und schneeweißem Alabaster über lyraähnliche Klangstäbe bis hin zu Zimbeln und Blockflöte war alles vertreten, was sphärisch klingen und mystische Stimmung verbreiten kann.
„Rauhnächte sind kein Hokuspokus.“ Sabine Profts Statement stellte mit dem ersten Satz des Abends klar, worum es ihr ging. „Jede Rauhnacht übermittelt eine Botschaft, die uns zeigt, wo wir innerlich stehen.“ Sie wolle, fuhr sie fort, nicht über den seit Jahren um sich greifenden Verkaufsschlager Rauhnacht sprechen.
Rauhnächte seien eine „heilige Zeit“, die mit Ritualen begangen werden könne, die nie auf nur eine bestimmte Art und Weise ablaufen müssten. Im Gegenteil, jeder Mensch trage in sich, was nötig sei, nämlich Spiritualität und Transzendenz. Auf beide dürfe man sich einlassen, auf die eigene innere Stimme hören. Diese äußere sich zum Beispiel im Traum. Deshalb sei es hilfreich, ein Traumtagebuch zu führen.
Auch Meditation als innere Einkehr gebe der inneren Stimme Raum. Man brauche dafür keine besonderen äußeren Umstände. Schon die bewusste, sich Zeit lassende Zubereitung und der anschließende Genuss einer Tasse Tee könne ein meditatives Ritual sein.
Ein besonders schönes, einfaches und überall zu praktizierendes Ritual der Rauhnächte sei die „Faden-Magie“. So mancher mochte sich schon gewundert haben, wozu wohl das Bündel Wollfäden nutze sei, das man vor sich auf dem Tisch gefunden hatte. Jetzt wurde man aufgefordert, einen der Fäden an sich zu nehmen und zwischen beiden Händen zu spannen und stramm zu halten.
Man möge sich vorstellen, der Faden stelle eine Verbindung zwischen dem eigenen Wollen und der Kraft her, die aus den 12 Rauhnächten in die eigene Seele übergehen und sie stärken könne. Das Festhalten an diesem Faden sei ein GedankenRitual mit der inneren Absichtserklärung, diese Verbindung herzustellen. Wolle man das Festhalten verstärken, könne man einen oder mehrere Knoten in den Faden knüpfen.
Wann immer man das Gefühl habe, jetzt eine besondere Kraft zu brauchen, helfe der Faden, an der eigenen Absicht, dem eigenen Ziel festzuhalten.
Ähnlich hilfreich für die Stärkung des eigenen Wollens könne in den Rauhnächten das 13-Wünsche-Ritual sein. Man schreibe zu diesem Zweck am Abend vor der ersten Rauhnacht 13 Absichten auf je einen Zettel. Zum Beispiel: „Ich gehe spazieren.“ Wichtig sei, keine unrealistischen oder schwache Absichtserklärungen aufzuschreiben. Also nicht: „Ich werde spazieren gehen.“
Diese 13 Zettel falte man fest zusammen und lege sie dann alle in eine Schachtel. Jeden Abend nehme man bis zum Ende der Rauhnächte einen Zettel heraus und verbrenne ihn ungeöffnet. Der letzte enthalte die Absicht, die man erfüllen solle.
Mit der Empfehlung, in der meditativen Stimmung der Lautenbacher Wallfahrtskirche eines der dortigen Kerzenlichter anzuzünden, um der eigenen Seele zu sagen: „Ich denke an dich!“ ging ein Abend zu Ende, der sicher nicht so schnell vergessen wird.