Die Sehnsucht nach dem Frühling ist groß und das Warten fällt schwer?
Hier ist mein Trick:
Mit guten Märchen und Geschichten lässt sich die Wartezeit verkürzen. Vielleicht locken wir die ersten zarten Blümchen und ein paar Sonnenstrahlen herbei. Lasst euch verzaubern von dieser Geschichte:
Die Zeit steht nicht still
Es war eine dunkle Winternacht und hoch oben in den Bergen pfiff der Wind. Er schüttelte die Bäume und trieb die Schneeflocken vor sich her. Alles war kahl und öde. Unter einem Felsvorsprung saß ein uralter, gebeugter Mann. Sein Feuer sank allmählich in sich zusammen und der Alte war sehr schwach. Er konnte sich nicht mehr erheben, keinen Baum mehr umwerfen und Feuerholz nachlegen. Er spürte, wie seine Kräfte schwanden und plötzlich hörte er mitten in der Dunkelheit Schritte näherkommen. Es waren leichte Schritte, fast tanzend. Unter dem Felsvorsprung tauchte ein junger Mann auf. Er war strahlend schön, kraftvoll und jugendlich. Über sein Gesicht huschte ein verwegenes Lächeln. Er grüßte den Alten und dieser freute sich: „Schön, dass du da bist. Setze dich zu mir und erzähle mir von dir, damit ich weiß, dass du der Richtige bist.“
Und der junge Mann begann: „Wenn ich atme, dann werden Berge und Täler grün.“
Der Alte brummte: „Soso, dann ist es also soweit. Schön, dass du da bist. Du weißt: mein Atem vertreibt die Vögel in warme Länder, die Tiere in den Wäldern suchen in ihren warmen Höhlen Zuflucht. Wenn ich meine Haare schüttle, dann fallen zuerst alle Blätter von den Bäumen und dann beginnen die Schneeflocken zu tanzen und zu wirbeln. Die Erde wird hart wie Stein. Ich bin außerdem ein Tagedieb.“
„Ha“, lachte der Bursche, „wenn ich meine Locken schüttle, dann ergießt sich ein belebender Regen und überall im Land strecken die zarten Blümlein die Köpfchen aus der Erde. Mein Ruf lockt die Vöglein zurück. Wo man hinschaut, ist Freude. Ich bringe Licht und Wärme.“ Stundenlang saßen die beiden Männer und schauten in den Nachthimmel. Endlich wunden die Schneeflocken weniger, der Sturm legte sich.
In diesem Moment ging die Sonne am Himmel auf und tauchte alles in sanftes Morgenlicht. Rotkehlchen und Meisen sangen ihre Lieder, der Bach erwachte aus seiner winterlichen Starre und begann zu plätschern. Immer höher stieg die Sonne und wärmte die Erde. Während die Männer schweigend beieinander saßen, zeigten sich die ersten zarten Blätter der Brunnenkresse über der Erde. Der junge Mann schaute dem Alten ins Gesicht. Tränen rollten über das faltige Gesicht und er nickte sanft. Immer kleiner und kleiner wurde der Alte, bis er nicht mehr zu sehen war. Dort aber, wo die Feuerstelle gewesen war, streckte sich das erste zarte Schneeglöckchen der warmen Frühlingssonne entgegen. Es hielt sein weißes Röckchen in den Wind und läutete die neue Jahreszeit ein – auf die hatten die Menschen voller Sehnsucht gewartet.
Herzliche Grüße
Katrin Bamberg
Öffentliche Erzähltermine:
Sonntag, 09.02.2025 15 Uhr, Theater der 2 Ufer - Wintermärchen
Freitag, 21.02.2025 19 Uhr, Kirche Sand - Wunschpunsch
Samstag, 15.03.2025 15 Uhr, Lolo Kehl - Märchenstunde
Freitag, 21.03.2025 19 Uhr, Kirche Sand - Wunschpunsch