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Es war einmal... der Krautesel

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Katrin Bamberg - Spinnradmärchen

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Es war einmal... der Krautesel

 

Es war einmal ein junger Jäger, der war unterwegs, trug sein Gewehr und eine Tasche mit Proviant bei sich. Da begegnete er einer uralten Frau, die bat ihn, er möge ihr etwas von seinem Essen abgeben. Da fasste er in seine Tasche und teilte Brot und Käse mit ihr. Die Alte ließ es sich gut schmecken und raunte ihm zu: 

„Zum Dank will ich dir ein Geheimnis verraten. Höre! Auf der nächsten Lichtung sitzen neun Vögel auf einem Baum und halten einen Mantel im Schnabel. Du brauchst nur einen Schuss aus deinem Gewehr abfeuern, da werden sie erschrecken und den Mantel fallen lassen. Und einem der Vögel wird vor Schreck das Herz herausspringen, nimm es und schlucke es hinunter. So wirst du jeden Morgen beim Aufwachen ein Goldstück auf deinem Kissen finden. In den Mantel aber hülle dich ein, denn es ist ein Zaubermantel. Du brauchst nur zu überlegen, wohin er dich bringen soll, dann wirst du augenblicklich dort sein.“

Der Jäger dankte der alten Frau und dachte, wenn das nur wahr sein könnte. Kam hundert Schritte weiter sah er die Vögel, kreischend und mit Schnäbeln und Krallen an einem Mantel reißend. Da legte er das Gewehr an, tat einen Schuss in die Luft. Das war so laut, dass die Vögel den Mantel sofort fallen ließen. Das Herz des ängstlichsten Vogels fiel herab, geradewegs auf den Mantel. Die Vögel flogen eilig davon.

Der Jäger tat, wie die Alte ihm geheißen: schuckte das winzige Herzchen hinunter und legte den Mantel um seine Schultern und wünschte sich nach Hause. Er schlief erschöpft ein und als er am Morgen unter sein Kissen schaute, lag da eine goldene Münze. Am nächsten Tag noch eine und am übernächsten wieder. Als nun eine Zeit vergangen war, dachte er bei sich, dass es wohl an der Zeit sei, die Welt zu erkunden. Er nahm sein Gewehr, das Säckchen mit den Goldstücken, etwas zu essen und machte sich auf den Weg. Bald schon kam er in einen verwunschenen Wald. Wie er so lief, sah er durch die Bäume etwas goldenes glitzern. Er schaute genau und erkannte ein goldenes Schloss. Er wusste nicht, dass darinnen eine böse Zauberin lebte. Sie lebte dort aber nicht allein. Sie hielt sich ein schönes Mädchen als Dienerin gefangen. Das Mädchen musste alle bösen Dinge tun, die die alte Zauberin verlangte. Kaum sah die Alte vom Turme aus den jungen Jäger vorbeispazieren, rief sie das Mädchen herbei und befahl ihr: „Locke den Burschen herein, denn er besitzt etwas sehr kostbares. Ein Vogelherz, welches ihm jeden Tag ein Goldstück beschert. Ich werde einen Trank brauen und du wirst ihm den Trank reichen. Er wird das Vogelherz ausspucken, was er in sich trägt. Dann nimm es und schlucke es selbst herunter.“

So empfing das Mädchen den Jäger freundlich am Tor und es passierte das, was im Leben ganz oft überraschend passiert. Die beiden schauten sich an und er verliebte sich in sie! Und sie? Sie verliebte sich in ihn! Die Alte gab nun dem Mädchen den Trank und sie reichte ihn dem Jäger. Kaum hatte er davon getrunken, musste er husten und das Vogelherz fiel heraus. Das Mädchen nahm es unauffällig an sich und schluckte es hinunter. 

Von nun an fand der Jäger kein Goldstück mehr unter dem Kissen. Dafür lag immer eins bei dem Mädchen, wo es die Alte abholte.

Der Jäger war deshalb nicht sonderlich betrübt, denn er liebte das Mädchen so sehr, dass ihm die Goldstücke, die er besaß längst genügten.

„Nun wollen wir ihm aber auch den Zaubermantel abnehmen!“, keifte die Alte. „So etwas ist ganz selten hier auf Erden! Und wenn du junges, nichtsnutziges Ding mir den Mantel nicht beschaffst, dann wird es dir schlimm ergehen.“, drohte sie dem Mädchen.

Da schaute das Mädchen am Abend sehnsüchtig aus dem Fenster und der Jäger trat zu ihr: „Warum schaust du so traurig?“ – „Ach, siehst du dort in der Ferne den Berg?“ – „Ja, den sehe ich.“ – „Das ist ein Berg, auf dessen Gipfel die Edelsteine einfach so herum liegen, dass man sie nur einsammeln braucht. Doch niemand kann einfach dorthin gelangen. Es sei denn, er könnte fliegen, wie ein Vogel.“ – „Wenn es weiter nichts ist, so will ich dir den Wunsch gern erfüllen.“ Er öffnete schwungvoll den weiten Mantel, und bat das Mädchen in seine Arme. Zärtlich umhüllte er sie und wünschte sich mit ihr auf den Gipfel des Berges. Im Nu waren sie dort. Was war das für eine Freude. Alles glänzte und glitzerte! So viele bunte Steine lagen auf dem Berg. Die beiden brauchten sie nur aufzusammeln. 

Doch die alte Zauberin hatte mit ihrer Hexenkunst bewirkt, dass der Jäger sehr müde wurde. Er sprach: „Lass uns kurz ausruhen, ich kann mich vor Müdigkeit kaum noch auf den Beinen halten.“ Da setzten sie sich nieder und er legte sein Haupt in ihren Schoß. Kaum war er eingeschlafen, da nahm sie ihm den Mantel von den Schultern und wünschte sich zurück ins goldene Schloss.

Als der Jäger erwachte und begriff, dass seine Liebste ihn seines Mantels beraubt und auch noch verlassen hatte, ward er traurig und sagte: „Ich habe geglaubt, dass sie mich liebt!“ Enttäuscht legte er sich auf die Erde und weinte bittere Tränen. Doch plötzlich hielt er inne, denn es näherten sich schwere Schritte. Der Berg war bewohnt von drei mächtigen Riesen. Als sie den Jäger so liegen sahen, rief der eine: „Uah, ein Erdenwurm!“ Der zweite brüllte: „Tritt einfach drauf. Der ist unnütz und ekelhaft!“ Der dritte meinte: „Der liegt schon da, wie tot. Machen wir uns lieber die Schuhe nicht dreckig. Den nehmen die Wolken mit, die hier den Berg streifen. Keine Sorge.“ 

So lag er mucksmäuschenstill und war froh, dass die Riesen ihn einfach liegen gelassen hatten. Als sie weit genug fort waren, setzte er sich auf und eine Wolke schwebte heran. Er kletterte darauf, kuschelte sich gemütlich ein und ließ sich davontragen. So schwebte er am Himmel entlang, bis sich die Wolke senkte und auf einer großen Wiese landete, die voller Kräuter stand. „Ach was bin ich hungrig.“, sprach er zu sich und pflückte sich ein paar duftende Kräutlein um seinen Hunger zu stillen. Plötzlich merkte er, wie er ein graues Fell bekam und lange Eselsohren. Ja, er stand mit einem Mal auf vier Beinen auf der Wiese und schrie laut: „I-A:“ Ach, was für ein Unglück, aber Hunger hatte er trotzdem. So tat er, was ein Esel tut: er ging Schritt für Schritt weiter über die Wiese, fraß und fraß. Doch standen an einer Stelle süße und saftige Kräuter. Als er diese fraß, erhielt er seine menschliche Gestalt zurück. „Das muss ich mir genauer anschauen“, sprach er und pflückte von den bitteren und den süßen eine Handvoll. „Damit will ich den beiden eine Lektion erteilen“, murmelte er und machte sich eilig auf den Weg. Am Schloss angekommen, lief er zum Hintereingang, wo sich die Küche befand. Er lieferte dem Koch das Bund mit den bitteren Kräutern und wartete geduldig, bis die alte Zauberin und das Mädchen zu Mittag gegessen hatten. Dann hörte er es schon: „I-A“, schallte es durchs Schloss. Da legte er den beiden Eselinnen ein Halfter um und führte sie zu einer Mühle: „Müller!“, sprach er „Hier habe ich zwei Eselinnen für euch, die ich nicht mehr brauche. Du kannst sie jeden Tag schwere Säcke tragen lassen. Zu fressen gib der alten Eselin nur einmal am Tag, doch gib ihr drei Schläge täglich auf den Hintern. Der jungen Eselin gib dreimal täglich Futter, doch gib ihr nur einen Klaps auf den Hintern.“ 

So machte es der Müller eine ganze Zeit, da starb eines Tages die alte Eselin und schleunigst ließ er den Jäger herbeiholen. „Ach, nun wo die alte Eselin tot ist, schaut mich die junge Eselin mit so traurigen Augen an, dass ich mir keinen Rat mehr weiß.“ Da lachte der Jäger, holte von dem süßen Kraut und hielt es der Eselin hin. Die fraß genüsslich und verwandelte sich in seine Liebste. „Verzeih mir!“, flüsterte sie „Ich habe es nicht anders tun können damals.“ Da nahm er sie in die Arme und gab ihr einen Klaps auf den Hintern. „Mach das nie wieder!“, raunte er ihr ins Ohr. „Dazu gibt es ja auch keinen Anlass mehr.“, erwiderte sie und gab ihm einen Kuss.

Da ward Hochzeit gefeiert und sie lebten fortan glücklich im goldenen Schloss. Übrigens: beim Betten machen fanden sie auch weiterhin jeden Morgen ein Goldstück. Und wenn sie nicht gestorben sind, finden sie die noch heute.

 

Nach einem unbekannten Grimm-Märchen

Erzählfassung Katrin Bamberg

 

Herzliche Grüße

Katrin Bamberg

 

Öffentliche Erzähltermine:

Freitag, 15.11.2024 19 Uhr, Kirche Sand - Wunschpunsch

Sonntag, 01.12.2024 15 Uhr, Theater der 2 Ufer - Wintermärchen

Sonntag, 7. + 8.12.24 15 Uhr, Schauenburg Oberkirch - Winterzauber

Freitag, 13.12.2024 19 Uhr, Kirche Sand - Wunschpunsch

Sonntag, 22.12.2024 15 Uhr, Theater der 2 Ufer - Wintermärchen